Dr. Martin Henschke - Projekte

Ganggenauigkeit, Zeitwaage

Sekundenpendeluhr

Im ersten Teil werden die Gangwerte der Sekundenpendeluhr gezeigt und diskutiert. Auf dem Bild der Uhr ist auf dem Tisch eine Selbstbau-Zeitwaage zu sehen, die den Gang der Uhr überwacht. Sie besteht aus einer Standard-Experimentierplatine (AVR-Ctrl), dem Funkuhr-Modul EM2S DCF und der Antenne AFET 77,5 von HKW-Elektronik. In der Uhr (hinter dem Pendel) befinden sich eine Gabellichtschranke sowie analoge Sensoren für Druck, Temperatur und Luftfeuchte. Diese 3 Sensorwerte sowie Amplitude und Gangabweichung werden stündlich gespeichert (für maximal 3 Wochen) und gelegentlich auf einen PC übertragen. Da das Funkuhr-Modul nur maximal einen Impuls pro Sekunde liefert, werden Zwischenwerte mittels Quarz (braucht der Mikrocontroller ohnehin) bestimmt, wobei eine Quarz-Heizung (auf den Quarz geklebter Widerstand) dafür sorgt, dass der Quarz immer im Takt schwingt.

Die Zeitwaage läuft mittlerweile seit gut 7 Jahren (davon fast 6 Jahre ohne Unterbrechung) und hat in dieser Zeit keine Störung oder fehlerhafte Daten gezeigt. Gelegentliche Stromausfälle wurden mittels Batterien überbrückt. Im folgenden Diagramm ist die Ganggenauigkeit der Uhr über 299 Wochen bzw. 50232 h gezeigt. Glücklicherweise wurde die maximale Anzahl der Datenpunkte, die in einer Excel-Grafik pro Linie dargestellt werden können, von damals gut 32000 auf jetzt über 65000 angehoben.

Gang in 299 Wochen

Das Diagramm kann zum Vergrößern angeklickt werden. Die Kreise auf der Kurve für die Gangabweichung (Δt_ges) zeigen die Zeitpunkte an, an denen das Gewicht auf dem Pendelteller geändert wurde, welches dann in dem unteren Diagramm in mg angegeben ist. Die Dreiecke ganz oben zeigen die Zeitpunkte des Aufziehens an. Die wichtigste Kurve ist die schwarze, die den aktuellen Gangfehler in ms/h anzeigt. 1 ms/h entspricht dabei 0,024 s/d (Sekunden pro Tag), was die üblichere Einheit ist. Bei dieser Kurve sind die geänderten Gewichte auf dem Pendelteller herausgerechnet, so dass die langfristige Veränderung des Gangverhaltens seit Laufzeitbeginn zum Ausdruck kommt.

Es ist zu erkennen, dass die Uhr seit dem Start um rund 75 ms/h bzw. 1,8 s/d schneller wurde, was einer Pendel-Schwerpunktverschiebung um 41 µm nach oben entspricht. Dabei folgt die Verschiebung in etwa einer e-Funktion, die auf einen Grenzwert zuläuft (in dem Diagramm als dünne schwarze Kurve ebenfalls eingezeichnet). Was kann die Ursache dafür sein? Eine Möglichkeit sind undichte Barometer- bzw. Dichtedosen. Wenn eine Barometerdose undicht wird, dann strömt Luft ein und die Dose dehnt sich aus. In der Folge würde der Schwerpunkt allerdings nach unten und nicht nach oben verschoben. Daher scheiden die Barometerdosen als Ursache aus. Bei den Dichtedosen ist nicht ganz klar, ob sie unter Über- oder Unterdruck stehen. Da die Dosen beim Zulöten nach der Gasbefüllung erhitzt wurden, ist aber ein geringer Unterdruck wahrscheinlich. Weiterhin erfolgte das Löten im unbelasteten Zustand und erst danach wurden die Kompensationsgewichte angehangen, was auch zu einem Unterdruck führt. Bleibt noch die Möglichkeit, dass in den Dichtedosen noch ein Rest Luft war (statt reines Argon) und der Luftsauerstoff mit der Zeit wegoxidiert. Das würde zum Zusammenziehen der Dosen führen und wäre eine plausible Erklärung für eine gleichförmige Verschiebung des Schwerpunktes.

Die mit den Jahren immer stärker werdenden Schwankungen im Gangverhalten (speziell im Frühjahr, wenn die Luftfeuchte am geringsten ist) können aber nicht mit den Dichtedosen erklärt werden. Daher geht mein Verdacht in Richtung der Kohlefaser-Pendelstange, die sich mit der Zeit zusammenziehen könnte. Ursächlich dafür dürften die recht erheblichen Spannungen sein, die beim Pultrudieren (Strangziehen) auf das Material einwirken und nach der Aushärtung des Epoxidharzes in dem Materialverbund "gespeichert" sind und sich erst über Jahre abbauen (eine e-Funktion entspricht bei solchen Prozessen der Erwartung). Das erklärt aber auch noch nicht die zunehmend "sprunghafte" Abhängigkeit des Ganges von der Luftfeuchte. Bei trockener Luft im Winter ist die Uhr signifikant langsamer als im Sommer / Herbst bei hoher Luftfeuchtigkeit. Hier bleibt nur die Vermutung, dass das alternde Epoxidharz diese Probleme verursacht. Da die Abhängigkeit von der Luftfeuchte nichtlinear ist, gibt es praktisch keine Möglichkeit zur Kompensation.

Im Zusammenhang mit Präzisionspendeluhren wird häufig eine Abweichung von 1 - 2 s pro Monat genannt, um die Qualität der Uhren zu verdeutlichen. Harrison wollte sogar weniger als 1 s in 100 Tagen erzielen. Beides wird von dieser Uhr gelegentlich erreicht (die 100 Tage nur mit viel Wohlwollen). Trotzdem ist die Abweichung über's Jahr gesehen viel zu groß und eine permanente Geschwindigkeitszunahme sollte eine Präzisionsuhr auch nicht aufweisen. Insofern sind Beobachtungszeiträume von weniger als 1 Jahr für Präzisionspendeluhren wenig aussagekräftig.

Einschub: neue Zeitwaage

Arduino MKR WiFi 1010 PinOut Diagramm:

Arduino MKR WiFi 1010 Pinout

Arduino Nano 33 IoT PinOut Diagramm:

Arduino Nano 33 IoT Pinout

Bei der neuen Zeitwaage sollen die Daten in der Cloud (also auf dieser Homepage) gespeichert werden. Dazu bietet sich das Arduino MKR WiFi 1010 Mikrocontroller-Board an. Da bisher kein PinOut-Diagramm dafür existiert wurde eins erstellt: MKR_WiFi_1010_Pinout.pdf (430 kB).

Zur Zeit arbeitet die Zeitwaage mit 2 Mikrocontrollern: einem SAMD21 auf dem Arduino MKR WiFi 1010 Board (für die Speicherung der Daten auf einer SD-Karte und die WiFi-Übertragung ins Netz) und einem ATmega328 der mit den Bibliotheken für die SD-Karte (Arduino-IDE) hart an die Speichergrenze kam. Der ATmega328 erhält die Taktfrequenz von 12,8 MHz von einem VCTCXO (Voltage Controlled Temperature Compensated Crystal Oscillator). Zur Überwachung und Feineinstellung der Frequenz ist ein GPS-Modul angeschlossen, dass bei guten Empfangsbedingungen ein sekündliches Signal liefert. Temperatur, Druck und rel. Luftfeuchte werden von einem kleinen BME280-Modul hinter der Pendellinse gemessen und per SPI zum ATmega328 übertragen. Die Daten werden laufend gemessen, über eine Stunde gemittelt und dann gespeichert. Die Lichtschranke für die Pendelbewegung befindet sich unten und wird von der Pendelspitze unterbrochen. Eine weitere Lichtschranke wird unterbrochen, wenn das Aufzugsgewicht die obere Position erreicht hat, wobei der automatische Aufzug aktuell alle 5 h erfolgt.

Zwischenzeitlich wurde noch ein neues IoT-Board vorgestellt. Der "Arduino Nano 33 IoT" ist so klein, dass er nocht mit in das Gehäuse der Zeitwaage passt. Auch dafür wurde ein PinOut-Diagramm erstellt: Nano_33_IOT_Pinout.pdf (170 kB).

Pendeluhr mit Harrisons Barometerkompensation

Hier - im zweiten Teil - werden die Gangwerte der Pendeluhr frei nach Harrison (PUH) vorgestellt. Die Uhr hängt in der Küche, wo sie gelegentlich von der warmen Luft des Herdes angepustet wird. Ebenso ist sie dem Durchzug ausgesetzt, wenn nach dem Kochen gelüftet wird. Die aktuelle Messreihe ist (Okt. 2020):

Gang in 130 Tagen

Das Diagramm kann zum Vergrößern angeklickt werden. Die Darstellung ist etwas anders als oben: es gibt nur eine y-Achse und die meisten Werte sind als Differenz zu einem "Nullwert" eingetragen. Die Nullwerte sind 20°C, 990 hPa und 3,51° für Temperatur (unten), Druck und Amplitude (m° = milli-Grad). Die Temperatur mit dem Index "u" wird hinter der Pendellinse gemessen und die Temperatur mit dem Index "o" hinter der Pendelfeder. Die Abweichung ist in centi Sekunden eingetragen und so "gedreht", dass sie im Diagramm halbwegs horizontal verläuft. Das entspricht einem größeren oder kleineren Gewicht auf dem Pendelteller und ändert nichts an den Abhängigkeiten. Der Gangfehler in centi sec. pro Tag ist in hellgrau und schwarz eingezeichnet. Die schwarze Linie ist dabei der gleitende Mittelwert über 24 h.

Die spitzen Peaks, die häufig in der blauen Linie zu sehen sind, treten immer dann auf, wenn Sonnenstrahlen durch Reflexionen im Raum die Uhr erreichen. Dabei kommt es zu minimalen Zeitabweichungen an der Lichtschranke. Die meisten Peaks sind also vermutlich Messfehler ohne physikalische Relevanz. Die teilweise heftigen Schwankungen im längerfristigen Temperaturverlauf sind auf den Betrieb während der Sommermonate zurückzuführen. Der letzte Messwert wurde am 24.10.2020 aufgezeichnet. Trotz dieser suboptimalen Bedingungen ist das Gangverhalten relativ gut. Nachdem die Uhr nach rund 19 Tagen etwas schneller wurde, hält sie seitdem die Zeit mit einer Schwankungsbreite von ±0,25 s. Die berechnete Abweichung ist mit einer dünnen braunen Linie im Diagramm dargestellt. Sie wurde an die Messwerte angepasst, was zu Parametern für Druck und Temperatur von 0,04 ms/(d hPa) bzw. 0,36 ms/(d °C) führte. Der Druck ist also nahezu optimal kompensiert, während die Temperatur leicht überkompensiert erscheint. Allerdings ist die Anpassung nicht sehr gut, was dafür spricht, dass noch andere Effekte eine Rolle spielen, die nicht im matematischen Modell erfasst sind. Die Wirkungsweise der Druckkompensation ist besonders gut während der letzten 5 Wochen zu erkennen. Druck und Amplitude verlaufen gegensätzlich, d.h. bei hohem Druck verringert sich die Amplitude und die theoretisch erwartete Kompensation tritt ein :-)

Seit einigen Jahren wird zur Beurteilung von schwingenden Systemen gern die Allan Varianz herangezogen. Tom van Baak (TvB) zeigt in einer Präsentation die Auswertung für die Clock B, die hier zusammen mit der PUH dargestellt ist:

Allan-Varianz Clock B und PUH

Zum Ende jeder Kurve nimmt die Aussagekraft ab, da auch die Anzahl der verwendeten Messwerte immer kleiner wird. TvB hatte das in seiner Auswertung berücksichtigt und die Kurve etwas früher abgebrochen. Mir ist aber kein allgemein akzeptiertes Abbruchkriterium bekannt und deshalb sind hier alle Werte dargestellt.